Biotechnologische Erfindungen
Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie müssen den
Patentfähigkeitserfordernissen in gleicher Weise wie Erfindungen
in anderen technischen Gebieten entsprechen. So muß die Erfindung
neu sein, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich
anwendbar sein (§ 1 PatG und Art. 52 EPÜ). Bei der Beurteilung, ob
eine biotechnologische Erfindung patentfähig ist, müssen
darüber hinaus die Ausnahmebestimmung des § 2, 2 PatG und
Art. 53 b EPÜ beachtet werden. Dort heißt es:
Patente werden nicht erteilt für:
Pflanzensorten oder Tierarten sowie für im wesentlichen
biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren.
Diese Vorschrift ist nicht anzuwenden auf mikrobiologische Verfahren
und auf die mit Hilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse.
Die Frage, ob für die Erfindung ein Patent erteilt werden kann oder
nicht, hängt daher zuerst davon ab, ob dieses Patentierungsverbot greift.
Pflanzensorten
Eine Pflanzensorte zeichnet sich durch Neuheit, Homogenität und
Beständigkeit aus, d.h. es handelt sich um Pflanzengesamtheiten,
die in ihren Merkmalen weitgehend gleich sind und nach jeder Vermehrung
oder jedem Vermehrungszyklus innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen gleich
bleiben. Es spielt keine Rolle, ob die Pflanzensorte durch ein
herkömmliches Züchtungsverfahren oder durch ein gentechnisches
Verfahren entstanden ist. Eine gentechnisch bewirkte Veränderung des
Genoms einer Pflanze kann danach zu einer neuen Pflanzensorte führen.
Zur Zeit ist allerdings noch nicht ganz geklärt, wie genetische
Erfindungen zu behandeln sind, die sich nicht auf das gesamte Genom der
Pflanze richten, sondern gezielt nur eine bestimmte DNA-Sequenz des Genoms
betreffen. Eine solche Erfindung könnte zwar auch neue Pflanzensorten
umfassen, wegen der grundlegenden molekularbiologischen Techniken geht eine
solche Erfindung jedoch regelmäßig weit über den engen
taxonomischen Bereich einer einzelnen Pflanzensorte hinaus und ist auf
ganze Pflanzengattungen, wenn nicht sogar auf eine bestimmte Vielzahl
von Pflanzensorten anwendbar.
Die neue Richtlinie 98/44/EG, die den Begriff der Pflanzensorte auch dem
Sortenschutz
entnimmt, scheint eine Lösung zu dieser Unklarheit anzubieten.
Es heißt dort:
... eine Pflanzengesamtheit, die durch ein bestimmtes
Gen (und nicht durch ihr gesamtes Genom) gekennzeichnet ist, unterliegt
nicht dem Sortenschutz.
Das Patentierungsverbot gilt aber nicht für Hybridpflanzen, die nicht
beständig sind und somit das für Pflanzensorten kennzeichnende
Kriterium der Beständigkeit nicht erfüllen. Pflanzenzellen sind
gleichfalls nicht von dem Verbot erfaßt.
Ein spezifischer Schutz für Pflanzensorten wird im übrigen durch
den Sortenschutz geschaffen, der neben dem Patentrecht besteht. Der Sortenschutz
richtet sich nach den in den Mitgliedstaaten bestehenden geltenden Vorschriften
sowie den Vorschriften der Verordnung Nr. 2100/94 (EG).
Die Richtlinie 98/44/EG sieht ferner vor, daß ein Landwirt Saatgut oder
anderes pflanzliches Vermehrungsmaterial, das patentgeschützt ist,
für den eigenen Betrieb weiter vermehren darf, wenn er das
Ursprungsmaterial vom Patentinhaber bzw. mit dessen Zustimmung erworben hat.
Tierarten
Ebenso wie Pflanzensorten werden auch Tierarten (im Sinne von "Tierrassen")
von dem Patentierungsverbot erfaßt. Nach der Rechtsprechung des EPA
soll bei der Auslegung des Begriffs "Tierart" ein Mittelweg gefunden
werden, der einerseits die Interessen der Erfinder an einem angemessenen Schutz
ihrer Arbeiten und andererseits das Interesse der öffentlichkeit, bestimmte
Kategorien von Tieren vom Patentschutz auszuschließen, beachten soll.
Hierbei wird berücksichtigt, daß für Tiere – nicht wie für
Pflanzen der Sortenschutz – keine anderen gewerblichen Schutzrechte
in Betracht kommen.
Die Tierzüchtung befaßt sich heute im zunehmenden Maße mit
der gentechnischen Manipulation von Tieren. Artikel 53 b) 1. Hs. EPÜ
verbietet aber ausdrücklich nur die Patentierung von Tierarten, bzw.
gemäß den beiden anderen Sprachen des Übereinkommens
"animal varieties" und "races animales". Höhere
taxonomische Einheiten, wie Säugetiere oder Nagetiere, fallen nicht
unter den Begriff "Tierarten" und werden damit auch nicht von
dem Ausschlußtatbestand erfaßt.
In Übereinstimmung hiermit sieht die Richtlinie 98/44/EG vor,
daß eine Erfindung deren Gegenstand Tiere sind, patentiert werden kann,
wenn die Ausführung der Erfindung nicht auf eine bestimmte Tierrasse
beschränkt ist (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie).
Auch Tierzellen als solche, die sich dank der modernen Technik fast wie
Bakterien und Hefen kultivieren lassen, werden nicht vom Patentierungsverbot
erfaßt. Wie Pflanzenzellen gelten sie vielmehr nach der derzeitigen
Praxis des EPA als "mikrobiologische Erzeugnisse" im weiteren Sinne.
Biologische Verfahren
Schließlich fallen im wesentlich biologische Verfahren nach dem EPÜ
unter das Patentierungsverbot. Eine gleichlautende Vorschrift findet sich auch
in der Richtlinie 98/44/EG. Der Begriff "biologisches Verfahren" ist
als Abgrenzung zu technischen Verfahren im engeren Sinne zu verstehen, bei
denen mit anderen Mitteln als solchen, die in der Natur vorkommen, auf den
Ablauf des Geschehens eingewirkt wird, zum Beispiel mit chemischen oder mit
physikalischen Mitteln.
Das Patentierungsverbot gilt ausdrücklich nicht für mikrobiologische
Verfahren und die mit ihrer Hilfe gewonnenen Erzeugnisse. Es handelt sich dabei
um Verfahren zur Gewinnung, Transformation und Verwendung von Mikroorganismen,
aber auch der Bereich der Zell– und Molekularbiologie wird nach der Praxis den
mikrobiologischen Verfahren zugeordnet. Ferner sind Erfindungen, die sich auf
Gene oder Proteine richten, dem Patentschutz zugänglich.
Ob ein Verfahren "im wesentlichen biologisch" ist, hängt vor
allem davon ab, in welchem Umfang von menschlicher Seite technisch auf das
Verfahren eingewirkt wird. Sollte dieser Eingriff eine maßgebliche
Rolle spielen, so kann man nicht mehr von einem im wesentlich biologischen
Verfahren ausgehen. Andererseits sind herkömmliche Züchtungsverfahren,
die an die natürlichen Grenzen ganzheitlicher Kreuzung und Selektion
gebunden sind, als im wesentlich biologische Verfahren zu qualifizieren.
So wären zum Beispiel ein Verfahren zur Kreuzung oder ein
Selektivzuchtverfahren, bei dem lediglich die Tiere, die bestimmte Merkmale
aufweisen, für die Zucht und Kreuzung ausgewählt und
zusammengeführt werden, "im wesentlichen biologisch" und demnach
vom Patentierungsverbot erfaßt. Dagegen würden Verfahren für
die Behandlung von Pflanzen oder Tieren zur Verbesserung ihrer Eigenschaften
oder ihres Ertrags oder zur Förderung ihres Wachstums, unabhängig davon,
ob es sich um ein mechanisches, physikalisches oder chemisches Verfahren handelt,
wie etwa Verfahren zur Beschneidung von Pflanzen, nicht im wesentlichen biologisch
sein. Auch wenn die Erfindung biologische Verfahren miteinschließt, jedoch
im wesentlichen technischer Natur ist, greift das Patentierungsverbot nicht ein.
Für nicht im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von
Pflanzen kann demgemäß ein Patent erteilt werden. Ebenso sind
biologische Verfahren, die nicht der Zucht von Pflanzen dienen, patentierbar,
d.h. Verfahren zur Herstellung von Erzeugnissen mit Hilfe höherer Pflanzen,
mit Ausnahme der Pflanzen selbst.
Die Richtlinie 98/44/EG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen,
bei denen davon auszugehen ist, daß die öffentliche Ordnung oder die
guten Sitten betroffen sind und deshalb die Erfindung nicht patentiert werden kann.
Es handelt sich um folgende Fälle:
- Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen
- Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der
Keimbahn des menschlichen Embryonen zu industriellen Zwecken
- Die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen
Zwecken
- Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren,
die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen
Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit
Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
DNA-Sequenzen, Gene, Genteile, Vektoren und Mikroorganismen sind dem Patentschutz
zugänglich. Die Rechtsprechung hierzu ist jedoch zur Zeit in Bewegung,
so daß über die Grenzen des Patentschutzes derzeit keine
abschließende Aussage gemacht werden kann. Auf jeden Fall ist es jedoch
ratsam, eine DNA-Sequenz in der Patentschrift ausreichend zu offenbaren.
Sequenzen sind auf einem gesonderten Datenträger mit der Anmeldung einzureichen.
Für den Schutz von Pflanzen und Tieren gilt ebenfalls, daß sie als
solche dem Patentschutz unterstellt werden können, nicht jedoch
Pflanzensorten und Tierrassen.
Hinsichtlich des Schutzes neuer Mikroorganismen, die nicht anhand der
Patentbeschreibung ohne zumutbaren Aufwand isoliert bzw. reproduziert
werden können, ist darauf hinzuweisen, daß diese Organismen
mit der Einreichung der Anmeldung bei einer anerkannten Stelle hinterlegt
werden müssen.