Auf dem Gebiet der Erfindungen sind Laien
der Ansicht, daß Erfindungen stets große Ideen seien, die zu völlig neuen Produkten und
Verfahren führen. Deshalb wird häufig die Frage gestellt, ob nicht die Anzahl der
Erfindungen sich inzwischen erheblich verringert habe, da die Technik doch inzwischen auf
fast allen Gebieten fertig entwickelt sei und somit Erfindungen doch wohl kaum noch
entstehen können.
Es wird verkannt, daß Erfindungen in der Regel nur kleinere
Verbesserungen an bekannten Produkten und Verfahren sind. Ingenieure sind immer wieder
überrascht, daß die Konkurrenz sich kleinere Verbesserungen hat schützen lassen. Sie
äußern hierbei, daß sie es nicht für möglich gehalten haben, daß eine solch
"naheliegende Idee" schutzfähig sei.
Die kleineren Ideen und Verbesserungen sind es aber, die im Markt
optimal ankommen, während größere Entwicklungsschritte zu anfänglichen technischen und
wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen können. Eine kleine Idee ist oft der größere
Markterfolg als ein großer technischer Schritt, der Akzeptanzprobleme bei den Käufern
hervorruft.
Große Entwicklungsschritte und grundlegende Ideen werden heute noch in
der selben aber geringen Anzahl wie früher erzeugt. Sie werden Basisinnovationen genannt
und sind erst Jahre oder sogar erst Jahrzehnte nach ihrem Entstehen auf dem Markt.
Basisinnovationen bestimmen seltener das tägliche Geschehen einer Entwicklungsabteilung
eines Unternehmens als Verbesserungsentwicklungen. Basisinnovationen werden nicht nur in
Forschungsinstituten der Grundlagenforschung sondern auch in kleinen, mittleren und
großen Unternehmen entwickelt. Nach ihrem Entstehen wird ihre Bedeutung meist nicht
sofort erkannt.
Neue, bzw. verbesserte Produkte und Verfahren werden in kleinen,
mittleren und großen Unternehmen in der Regel durch die eigenen Ingenieure und Chemiker
entwickelt. Neben diesen Eigenleistungen eines Unternehmens besteht aber auch die
Möglichkeit, Verbesserungen an Produkten und Verfahren in Fremdleistung durch andere
entwickeln zu lassen. Ferner können neue Ideen und Anregungen dem bereits bekannten
Wissen, d.h. dem Stand der Technik entnommen werden. Deshalb wird im folgenden bei dem
Schaffen verbesserter Produkte und Verfahren zwischen Eigenleistung, Fremdleistung und
Fremdwissen unterschieden.
Ingenieure, Chemiker und Unternehmen müssen bestrebt sein, so
effektiv wie möglich Produkte und Verfahren weiter zu entwickeln. Eine grundlegende
Voraussetzung für hohe Entwicklungsleistungen ist das Beachten folgender Regeln:
- Die betriebsinternen Informationen werden weitgehend berücksichtigt.
- Der neueste externe Stand der Technik muß gekannt werden.
- Die an Entwicklungen Beteiligten setzen eine Produktplanung und damit
auch die wichtigsten Kreativitätstechniken ein.
- Im Unternehmen muß ein optimales Innovationsklima herrschen.
2. Fremdleistung
Produkte und Verfahren sollten nicht nur im eigenen Unternehmen
weiter entwickelt werden. Es sollte daran gedacht werden, zumindest mit grundlegenden
Entwicklungen und Untersuchungen externe Institute zu beauftragen. Dies ist häufig
preiswerter. Es spart aufwendige Instrumente und Geräte und läßt Betriebsblindheit
nicht entstehen. Allerdings muß während der gesamten Auftragsarbeit ein enger Kontakt
mit dem Institut gehalten werden, um rechtzeitig Entscheidungen zu treffen.
Forschungsinstitute, Entwicklungsbüros und Designer können mit Entwicklungsarbeiten
beauftragt werden:
3. Fremdwissen
Neue technische Ideen und Weiterentwicklungen können auch fremden
Informationsquellen entnommen werden. Es ist ohne Zweifel klug und richtig, alle Quellen
des Standes der Technik daraufhin zu untersuchen, ob technische Ideen, Konstruktionen und
Verfahren enthalten sind, die für die eigenen Produkte und Verfahren genutzt werden
können.
Folgende Quellen werden empfohlen:
a) Kunden
Kunden sind eine der wichtigsten Quellen für Informationen, die zu
neuen oder verbesserten Produkten führen. Untersuchungen in den USA haben sogar gezeigt,
daß Produktverbesserungen, die auf Anregungen der Kunden basieren, auf dem Markt
prozentual besser ankommen, als Entwicklungen, die durch Ideen der eigenen Ingenieure
zustande kamen.
b) Technische Fachliteratur
Zur technischen und wissenschaftlichen Fachliteratur zählen u.a.
Fachzeitschriften, Fachbücher, Lexika und Dissertationen. Die Fachliteratur enthält
technische Neuentwicklungen und Forschungsergebnisse, die in der Mehrzahl nicht durch
Patente oder Gebrauchsmuster geschützt sind. Nachdem Sie auf eine für Sie wichtige
Entwicklung aufmerksam wurden, sollten Sie durch einen Patentanwalt prüfen lassen, ob ein
Schutz besteht.
c) Patente und Gebrauchsmuster
Zur Patentliteratur zählen alle Schriften, durch die technische
Entwicklungen geschützt werden: Offenlegungsschriften, Patentschriften und
Gebrauchsmusterschriften des In- und Auslandes.
In dieser Literatur sind eine Fülle hochinteressanter Entwicklungen
und Ideen enthalten. Die für Sie interessanten Schriften sind verhältnismäßig leicht
zu finden, da die Patentliteratur durch die Internationale Patentklassifikation (IPC) in
60 Tausend Bereiche (Untergruppen) aufgeteilt ist. Keine andere Literaturart ist so fein
eingeteilt. Keine andere Literaturart läßt sich manuell oder online so leicht und sicher
durchsuchen. Entgegen den Erwartungen vieler Ingenieure und Wissenschaftler ist der
größte Teil der Patentliteratur ohne Schutz.
Werden in einer Recherche Schriften
gefunden, deren Inhalt für Sie von Interesse sind, so müssen diese Schriften von einem
Patentanwalt darauf untersucht werden, ob ein Schutz besteht.
d) Produkte des Marktes
Jedes Unternehmen ist gut beraten, erfolgreiche Produkte anderer
Unternehmen nachzubauen. Es verringert das wirtschaftliche und technische Risiko. Es ist
in einer freien Marktwirtschaft ein Teil des freien Wettbewerbs.
Es kann mit den Worten empfohlen werden: "Erst imitieren, dann
optimieren". Die Produkte anderer Unternehmen sollten also zuerst identisch
nachgebaut und auf den Markt gebracht werden, um sie zu beherrschen und um
Kinderkrankheiten frühzeitig auszuräumen. Erst dann sollten sie verbessert und als
geändertes Nachfolgeprodukt vertrieben werden. Dies erspart Risiken und Fehlschläge.
Der Nachbau kann in identischer oder in abgewandelter insbesondere in
verbesserter Form erfolgen. In allen Fällen ist zu beachten, ob Schutzrechte anderer
verletzt werden, und ob gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen
wird.
4. Ist ein
Benutzen fremder Ideen zulässig?
Das Schaffen neuer Ideen in hoher Qualität basiert stets auf
bekannten Grundlagen. Jeder Künstler muß auch erst handwerkliche Techniken und das
Können der Zeitgenossen beherrschen, ehe er darauf aufbaut und Neues schafft. Dies gilt
in gleicher Weise für auf technischem Gebiet Kreative.
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Nachahmen: Grundlage
künstlerischen Schaffens |
Nachahmen: Grundlage
technischer Kreativität |
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Grundsätzlich darf jede fremde technische Idee, jede Entwicklung,
jedes Verfahren und jedes Design nachgebaut bzw. verwendet werden, solange
1. nicht Schutzrechte verletzt und
2. nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
verstoßen wird.
Jede fremde Idee bzw. Entwicklung muß also vor ihrer Benutzung darauf
geprüft werden, ob Patente, Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster
bestehen, die verletzt werden könnten. Die ermittelten Schutzrechte werden einem
Patentanwalt gegeben, damit dieser prüft, ob sie durch das Produkt oder Verfahren
verletzt werden. Ein Patentanwalt kann auch von vornherein mit den Recherchen nach 1. und
2. beauftragt werden.
Beim Verwenden fremder Ideen ist auch darauf zu achten, daß nicht
gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen wird. Zu den
Hauptverstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zählen die
folgenden:
a) Unmittelbare Leistungsübernahme
Die unmittelbare Übernahme der Leistung eines anderen ist
unzulässig. "Unmittelbar" bedeutet, daß das Arbeitsergebnis des anderen direkt
übernommen wird, z.B. durch eine photomechanische Vervielfältigung oder durch Abformen.
Der Nachbauende macht sich also nicht die Mühe, selber Konstruktionszeichnungen zu
erstellen, sondern er "schmarotzt" direkt vom Arbeitsergebnis des anderen.
Es ist aber zulässig maßstabsgetreu nachzubauen.
b) Täuschung des Käufers
Wer das nicht geschützte Produkt eines anderen Herstellers
nachbaut, muß dafür sorgen, daß die Käufer nicht annehmen, sein nachgebautes Produkt
stamme von dem ursprünglichen Hersteller. Eine solche Täuschung der Käufer über die
Herkunft des Produkts kann wie folgt vermieden werden:
1. Das nachgebaute Produkt darf keine Merkmale besitzen, die technisch
nicht unbedingt erforderlich sind und für den anderen Hersteller "typisch"
sind. Wenn z.B. das Gehäuse des Originalproduktes außen Noppen besitzt, die die Käufer
dem anderen Hersteller zuordnen, weil der andere Hersteller diese Noppen an mehreren
seiner Produkte stets anbringt.
2. Auf das nachgebaute Produkt wird deutlich in großer Schrift der
Name des nachbauenden Unternehmens angebracht. Es genügt ein großer Aufkleber, der
solange befestigt ist, wie das nachgebaute Produkt angeboten wird.
c) Ausstattung
Hierbei sind auch Ausstattungsrechte zu beachten:
Die Ausstattung ist eine Aufmachung zu einer Ware oder zu einer
Dienstleistung. Sie ist also etwas zusätzliches zur Ware oder Dienstleistung und genießt
Schutz nach § 25 Warenzeichengesetz.
Zum Beispiel bei einer Verpackung:
- Die Traubenform einer Weinbrandflasche
- Die braune Umhüllung der Underberg-Flasche
- Die besondere Verpackung eines technischen Gegenstandes oder bei
einer Ware:
- Die äußere Form der Ware
Voraussetzungen für ein Ausstattungsrecht:
- Die Ausstattung muß auf die Herkunft hinweisen können
(Kennzeichnungskraft).
- Die Ausstattung muß innerhalb beteiligter Verkehrskreise bekannt
sein, d.h. sich durchgesetzt haben. (Man spricht von Verkehrsgeltung)
Wenn die Ausstattung einer Ware Schutz besitzt, ist beim Nachbau dieser
Ware darauf zu achten, daß die Merkmale der Ausstattung nicht verwendet werden.
d) Systematischer Nachbau mehrerer Produkte eines Unternehmens
Ein systematischer Nachbau mehrerer Produkte eines anderen
Unternehmens ist in der Regel unzulässig, da hierdurch das Unternehmen behindert wird und
darüber hinaus dem guten Ruf des Erstherstellers geschadet werden kann.
e) Ausnutzen des Fortsetzungsbedarfs
Der Nachbau von Produkten, die einen Fortsetzungsbedarf erzeugen,
ist in der Regel unzulässig, wenn der Ersthersteller diesen Fortsetzungsbedarf erst
geschaffen hat. So wurde beim Nachbau von Spielbaukästen und Spielzeugeisenbahnen
entschieden.